Das Bundesamt für Strassen hat 2019 auf der A16 in der Taubenlochschlucht einen provisorischen Kreisel gebaut. Seither kommt es dort vermehrt zu Unfällen. Dennoch hält man am Kreisel fest.
Vergangenen Montagnachmittag auf der A16 zwischen Frinvillier und Biel: Ein Autofahrer biegt von Frinvillier herkommend in den sogenannten Taubenlochkreisel ein und prallt scheinbar ungebremst in die Betonelemente. Die tonnenschweren Blöcke verschieben sich, dem Auto wird ein Rad samt Achse abgerissen. Wie durch ein Wunder bleibt der Fahrer unverletzt. Erst neun respektive zehn Tage zuvor ereigneten sich an derselben Stelle zwei Unfälle. Auch da hatten die Insassen Glück und kamen mit dem Schrecken und einem beschädigten Fahrzeug davon.
Das war aber auch schon anders: Seit das Bundesamt für Strassen (Astra) 2019 vor dem Taubenlochtunnel wegen Sanierungsarbeiten einen provisorischen Kreisel installiert hat, scheint es dort vermehrt Unfälle zu geben, mitunter auch mit Verletzten. 2019 waren es laut Unfallkarte auf dem Geoportal des Bundes deren zwei, die Beteiligten wurden leicht verletzt. 2020 wurden fünf Unfälle mit Verletzten registriert, im Corona-Jahr 2021 keine. Zu den Daten von 2022 und 2023 kann das Astra laut eigenen Angaben noch keine Auskunft geben.
Was man aber sagen kann: Zwischen 2019 und 2021 kam es in dem Bereich zu zwei Unfällen mit Verletzten mehr, als in den acht Jahren zuvor. Zudem gab es in dieser Zeit 15 weitere Unfälle, in welche die Polizei involviert war. Da drängt sich die Frage auf: Ist es in dem Bereich für Verkehrsteilnehmende gefährlicher geworden, seit der Kreisel installiert wurde? Und falls ja: Warum unternimmt niemand etwas dagegen?
«Niemand rechnet hier mit einem Kreisel»
Diese Frage stellt sich auch Driton Sejdaj. Er ist Berufschauffeur und Disponent bei Sejdaj Transporte und ist häufig mit dem Lastwagen auf der Strecke zwischen Biel und Frinvillier unterwegs. Seit der Kreisel gebaut wurde, komme es dort fast täglich zu gefährlichen Situationen. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es Tote gibt», ist der Chauffeur überzeugt.
Das Problem seien dabei vor allem die Auto- und Sattelschlepperfahrer, die mit der Strecke nicht vertraut seien. «Niemand rechnet auf einer Autostrasse mit einem Kreisel», sagt Sejdaj. Besonders die Lastwagenfahrer bemerkten die spezielle Verkehrsführung oft spät und bremsten erst kurz vor dem Kreisel ab. Da nütze es auch nichts, dass 150 Meter vor dem Kreisel auf Tempo 60 abgebremst werden müsse. «Der Bremsweg eines Sattelschleppers ist enorm, die Distanz reicht nicht aus, um vor dem Kreisel zum Stillstand zu kommen», so Sejdaj.
Auch die Signalisation vor dem Kreisel kritisiert der Disponent. Gerade auf einer Strasse, auf der niemand mit einem Kreisverkehr rechne, müsse dieser doch besser und früher angezeigt werden als bloss mit einer simplen kleinen Verkehrstafel. Dass der Kreisel zweispurig ist und in der Mitte über eine durchgezogene Sicherheitslinie verfügt, sorge bei vielen Fahrerinnen und Fahrern noch zusätzlich für Verwirrung.
Zur Erklärung: Wer von Frinvillier herkommend auf den Kreisel zufährt, muss vorher entscheiden, ob er weiter auf der A16 Richtung Bözingen bleiben oder auf die Hauptstrasse abbiegen will, die in Richtung Biel Innenstadt und Leubringen führt. Die Spur kann im Kreisel nicht mehr gewechselt werden. «Leute, die die Strecke nicht kennen, merken teilweise erst im Kreisel, dass sie falsch gefahren sind, und wechseln in der Panik ohne zu schauen die Spur oder halten gar an», erzählt Sejdaj.
Astra sieht keinen Handlungsbedarf
Trotz der offensichtlichen Häufung von Unfällen sieht das Astra im Moment keinen Anlass, etwas zu unternehmen, um den Kreisel sicherer zu machen oder ihn ganz aufzuheben. «Das Astra verfolgt in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei kontinuierlich die Vorgänge und die Situation auf dem Kreisel und würde bei Bedarf reagieren und Anpassungen vornehmen», heisst es auf Anfrage.
Was die bemängelte Signalisation betrifft, verweist das Bundesamt darauf, dass es sich um einen provisorischen Kreisel handelt. Er wurde im Rahmen der noch bis 2027 anhaltenden Bauarbeiten auf der A16 errichtet und die Signalisation ändere sich laufend, je nachdem, wo auf der Strecke gerade gebaut wird. «Die Signalisation war und ist dementsprechend in Bezug auf die Phasen ausgestaltet», heisst es beim Astra.
«Allfällige Verbesserungen» stellt das Astra zumindest für 2027 in Aussicht. Dann nämlich sollen die Sanierungsarbeiten an der A16 abgeschlossen sein und der Kreisel von einem Provisorium in eine fixe Installation umgewandelt werden.
Damit kommt der Bund dem Wunsch des Grossen Rats sowie des Vereins Seeland.Biel/Bienne nach, den Kreisel zu erhalten. Beide Gremien sind davon überzeugt, dass der Kreisel für die Region sehr viel Positives mit sich bringt. «Seit es den Kreisel gibt, konnte sowohl Frinvillier als auch Biel vom Verkehr entlastet werden», sagt Sandra Schneider (SVP), Bieler Stadt- und Grossrätin. Sie war es, die sich im Grossen Rat mit einer Motion für den Erhalt des Kreisels über die Bauarbeiten hinaus eingesetzt hat. Zudem sei es praktisch, dass man auf beide Seiten wieder wenden könne, ohne dass man lange Strecken zurücklegen muss.
Stadt wird vom Durchgangsverkehr entlastet
Das bestätigt auch Madeleine Deckert (FDP), Präsidentin des Vereins Seeland.Biel/Bienne und Gemeindepräsidentin von Leubringen-Magglingen. Der ganze Verkehr, der von Leubringen her Richtung Bözingenfeld und/oder auf den Ostast will, sei bisher über die Bözingenstrasse in der Stadt gerollt. «Dank des Kreisels kann man nun einfach von der Reuchenettestrasse Richtung Berner Jura fahren und dann wenden», so die Leubringerin. Anwohnerinnen und Anwohner aus Leubringen, Magglingen, aber auch Anwohnerinnen und Anwohner der oberen Reuchenettestrasse in Biel gelangten so viel schneller auf die Autobahn und die Stadt werde vom Durchgangsverkehr entlastet.
Beide Politikerinnen räumen aber ein, dass der Kreisel ein gewisses Gefahrenpotenzial birgt. «Ich musste mich auch zuerst daran gewöhnen», sagt Deckert. Bei einem Kreisel sei jedoch immer erhöhte Vorsicht geboten, egal ob sich dieser auf einer Hauptstrasse oder einer Autostrasse befinde.
Diese Meinung vertritt auch Sandra Schneider, wobei sie durchaus einräumt, dass die Signalisation noch etwas verbessert werden könne. In den aktuellen Unfällen sehen aber weder sie noch Deckert einen Grund, den Kreisel wieder aufzuheben. «Beim BTI-Bähnli kommt es auch immer wieder zu Unfällen – und trotzdem wird dort das Verkehrsregime nicht geändert», sagt Schneider. Deckert führt zudem ins Feld, dass sich die Sicherheit dank des Kreisels an anderer Stelle durchaus verbessert habe. «Bevor es den Kreisel gab, kam es dort, wo die Leubringenstrasse auf die Reuchenettestrasse trifft, immer wieder zu Unfällen und gefährlichen Situationen», erinnert sie sich.
Die von der A16 herkommenden Fahrerinnen und Fahrer seien da meist noch mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. «Dank des Kreisels müssen sie jetzt früher abbremsen», so Deckert. Diesen Schluss lassen auch die Unfalldaten auf dem Geoportal des Bundes zu: Seit der Kreisel steht, ist es in dem Bereich zu keinem Unfall mit Personenschaden mehr gekommen, zumindest zu keinem, in dem die Kantonspolizei involviert war. Allein im Jahr 2017 waren es noch deren sieben.
Kommen die Massnahmen zu spät?
Obwohl er gewisse Gefahren birgt: Der Taubenlochkreisel wird noch eine Weile dort bleiben und an der Signalisation wird sich voraussichtlich in den nächsten paar Jahren nicht viel ändern. Immerhin: Das Astra stellt in Aussicht, dass sich 2027, wenn der Kreisel fix installiert werden soll, «jedefrau, jedermann zum Projekt äussern» könne.
Für Chauffeur Driton Sejdaj ist das deutlich zu spät. «Ich habe schon viele Gefahrenzonen gesehen, aber noch keine war so kritisch wie dieser Kreisel», sagt er. Dass erst etwas Schlimmes passieren muss, bis das Astra etwas unternimmt, hält er für unverantwortlich. «Ein Leben bekommt man nicht mehr zurück. Es ist traurig, dass man es darauf ankommen lässt.»
Quelle: Jana Tálos, Bieler Tagblatt