Rare Impftermine: Der Fehler liegt nicht für alle beim Kanton

Die geringe Impfkapazität in Biel sorgt in der Politik für Kopfschütteln: Viele Grossrätinnen haben kein Verständnis dafür, dass die Impfung derzeit praktisch nur mit langer Wartezeit oder ausserhalb der Region erhältlich ist. Doch nicht alle sehen das so eng. Bielerinnen und Seeländer, die sich jetzt noch für eine Coronaimpfung entscheiden, erwartet ein wahrer Spiessrutenlauf: Die Impfzentren im Kanton und damit auch jenes in Biel werden nach und nach geschlossen, es sind kaum noch Termine für Erstimpfungen verfügbar. Und das, obwohl sich nach einer Flaute nun wieder eine steigende Nachfrage nach dem schützenden Piks abzeichnet. Bei vielen Politikerinnen und Politikern aus der Region sorgt das Vorgehen des Kantons für Kopfschütteln.

Das zeigt sich bei einer gemeinsam mit «Canal 3» geführten Umfrage bei Grossratsmitgliedern. Vinzenz Binggeli (SP) fehlt jegliches Verständnis für die Strategie des Kantons. Gerade für die vielen Menschen mit Migrationshintergrund in Biel sei die Reduktion der Impfkapazitäten ein völlig falsches Zeichen: «Damit werden sie ausgegrenzt. Dabei sollte gerade ihnen ein möglichst unkomplizierter Zugang verschafft werden. Ähnlich sieht das Philippe Messerli (EVP): «Bei den Migrantinnen und Migranten besteht Handlungsbedarf.

Da ihre Impfbereitschaft unterdurchschnittlich ist, würde es Sinn machen, die ausländische Bevölkerungsgruppen mit gezielten Informationskampagnen zum Impfen zu motivieren.» Ganz grundsätzlich dürfe und könne es nicht sein, dass Impfwillige an Impfzentren in anderen Kantonen verwiesen werden. Der Kanton müsse nun möglichst schnell mobile Impfangebote bereitstellen.

Kritik für «paradoxe Situation»

Andrea Zryd (SP) bedauert, dass so viele Menschen noch nicht geimpft sind, obschon die Chance vor den Sommerferien bestand. «Jetzt müsste es ganz unkompliziert gehen, ähnlich wie es auch ein Ärzt in Biel im Frühling angeboten hat.

Man müsste dringend nochmals hochfahren vor den Herbstferien.» Auch Samantha Dunning von der SP findet die Situation paradox, denn das Interesse an einer Impfung wachse in der Schweiz. Sie geht davon aus, dass die Entscheidung, die Zentren zu schliessen, schon vor einiger Zeit fiel und nicht mehr überdacht wurde. Ihrer Meinung nach sollte der Kanton seine Strategie überdenken. Pierre Yves Grivel (FDP) kann den Entscheid angesichts der steigenden Fallzahlen nicht nachvollziehen.

Er fordert Alternativen für die schliessenden Impfzentren. Die Behörden forderten die Bevölkerung auf, sich schnellstmöglich impfen zu lassen, und gleichzeitig schwänden die Möglichkeiten. Er zweifelt daran, dass der Impf-Truck die Impfzentren ersetzen könnte. Christine Bühler (Die Mitte) hält es dagegen für angebracht, die Impfzentren im Kanton zu schliessen. Es gehe viel des wertvollen Impfstoffes verloren, wenn die angebrochenen Fläschchen nicht aufgebraucht würden.

«Die Regierung hat immer gesagt, man solle sich so schnell wie möglich impfen lassen, und die Möglichkeit bestand während sechs Monaten in den verschiedenen Impfzentren», sagt sie gegenüber «Canal 3». Ausserdem findet sie nicht, dass der Kanton Bern seine Verantwortung auf andere Kantone abwälze, wenn Personen, die sich in Biel nicht mehr impfen lassen könnten, nach Solothurn geschickt würden, «denn die ganze Sache ist eidgenössisch organisiert». Grivel und Dunning hingegen sind der Meinung, der Kanton Bern solle seine Dienstleistungen auf dem eigenen Gebiet erbringen. «Wenn wir versuchen, die Ungeimpften zu überzeugen, müssen wir ihnen sagen, wohin sie gehen müssen, um die Spritze zu bekommen», so Grivel.

Lob für «exzellenten Job»

Sandra Schneider (SVP) argumentiert, dass es die Impfangebote schon seit Monaten gebe. Es sei verständlich, dass die Kapazitäten bei abnehmender Nachfrage zurückgefahren würden. Gleichzeitig findet auch Schneider, dass der Kanton die Kapazitäten möglichst pragmatisch anpassen sollte – was er mit dem Impftruck ja bereits tue. Gemäss letztem Stand wird der Truck ab Mitte September wieder für Erstimpfungen unterwegs sein. Ihr Parteikollege Mathias Müller windet dem Kanton gar ein Kränzchen: Dieser habe bisher einen exzellenten Job gemacht. Die vielen freien Plätze seien vor den Sommerferien nicht ausreichend genützt worden.

«Man kann jetzt nicht vom einen auf den anderen Tag wieder alles rauffahren.» Müller fügt hinzu, dass die Impfquote in Biel im Vergleich mit dem Seeland nicht sehr hoch sei. Vielleicht gebe es in Biel mehr impfkritische Menschen, mutmasst er. Allerdings hätten es der Stadtpräsident und der Gemeinderat auch verpasst, die Menschen zum Impfen zu motivieren.

Uneinig sind sich die Politiker in der Frage, ob die vorhandenen Impfstellen wie Hausarztpraxen, Spitäler und Apotheken, im Kanton ausreichten. «Offenbar nicht, denn eine Reihe von Menschen kämpft immer noch darum, sich impfen zu lassen», so Dunning. «Die Apotheken, Hausarztpraxen und Spitäler haben genaue Weisungen, wie so etwas abzulaufen hat und gerade in Biel gibt es genügend Möglichkeiten, sich impfen zu lassen, wenn man das will», findet dagegen Bühler. Für sie stellt es überdies keine Zumutung dar, wenn Personen von Biel nach Solothurn müssten, um die Impfung zu erhalten. «Und die Impfung – das ist ganz wichtig – ist nach wie vor gratis. Ich denke, das ist doch ein Privileg, das wir haben», stellt sie fest. Dunning hingegen findet es normal, dass einige Unentschlossene sich erst jetzt zur Impfung durchringen konnten und findet, Hindernisse sollten dringend vermiedenwerden.

Quelle: Sarah Schaub/Carmen Stalder, Bieler Tagblatt

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