Das Gutachten von Rainer J. Schweizer zeigt die wahren Probleme auf!

Am 2. Februar 2016 präsentierte die Geschäftsprüfungskommission des Stadtrates ihren Bericht zur Sonderprüfung über die Administrativuntersuchung (AU) in der Sozialdirektion. Die GPK beauftragte Herrn Professor Rainer J. Schweizer mit der Ausarbeitung eines Gutachtens, welche unter anderem die in der Motion der Fraktion SVP/Die Eidgenossen („Dringliche Motion: Einsetzen einer PUK zur Aufklärung der Vorgänge im Zusammenhang mit der Affäre Reusser/ Direktion DSS“) gestellten Fragen beantworten sollten.

Prof. Schweizer hält in seinem Bericht fest, dass der Gesamtgemeinderat während und nach der AU mehrere Rechtsverstösse begangen hatte. So wurde nicht allen Betroffenen das Recht eingeräumt, Stellung zum Sachverhalt abgeben zu können. Ebenfalls bewegte er sich bei der Auflösung des Anstellungsverhältnisses des Direktionssekretärs in einer personalrechtlichen Grauzone. Ebenfalls kritisiert Schweizer an mehreren Stellen die AU selbst. Der Bericht des Fürsprechers Andreas Hubacher – er wurde vom Gesamtgemeinderat für die AU betraut – weist methodische Mängel. So übernahm er die anonymen Anschuldigungen widerspruchs- und kritiklos auf. Besonders stossend ist der Umstand, dass die Stellungnahme des angeschuldigten Sozialdirektors Beat Feurer faktisch nicht berücksichtigt worden ist.

Die SVP Biel hatte Gelegenheit, das Gutachten von Prof. Schweizer einzusehen. Untenstehend gliedert sie in verschiedenen Themenbereich die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts auf. Für die Partei stellen sich in diesen Zusammenhang noch etliche Fragen.

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Artikel in der Wochenzeitung BIEL-BIENNE. Zum Vergrössern draufklicken.

Mängel im Bericht Hubacher

Prof. Schweizer stellt in seinem Gutachten fest, dass die AU von Herrn Fürsprecher Hubacher methodische Mängel aufwies. So stützt er sich auf anonyme Hinweise und Aussagen und enthält etliche subjektive Feststellungen. Damit verstösst der Report selbst gegen elementarste wissenschaftliche Grundsätze. Im konkreten Fall werden gar Anschuldigungen widerspruchslos aufgenommen, ohne die persönlichen Beziehungen der Akteure zu hinterfragen oder den konkreten Kontext zu beschreiben. Der Bericht Hubacher lässt aus diesem Grund keine nachvollziehbare Rückschlüsse resp. Beurteilungen zu.

  • Wie konnte es dazu kommen, dass ein für eine AU verfasster Bericht derartig schwerwiegende Mängel aufweist?

Selbst der Fokus der AU ist mangelhaft. Das Gutachten Schweizer hält fest: „Aus dem Kollegialitätsprinzip ergibt sich, dass eigentlich nicht nur die DSS, sondern auch alle Gemeinderatsentscheide betreffen die DSS hätten mituntersucht werden müssen.“ (Seite 14).

Der von den Vorwürfen betroffene Gemeinderat Beat Feurer hat in einer umfassenden Stellungnahme seine Sicht der Dinge dargelegt. Die von Feurer vorgebrachten Einwände wurden von Fürsprecher Hubacher kaum berücksichtigt. In der Endfassung fanden sich höchstens minimale Anpassungen.

Prof. Schweizer hält in seinem Gutachten fest: „Diese Nichtbeachtung der vorgebrachten Einwendungen bei der Fertigstellung des Berichts zur Administrativuntersuchung ist meines Erachtens willkürlich gewesen.“ (Seite 19).

  • Wieso fiel dies keinem Gemeinderat und auch nicht der Stadtschreiberin, welche wie Hubacher als ehemalige Regierungstatthalterin ebenfalls fundierte Rechtskenntnisse verfügt, auf?

Angesichts dieser gravierenden Mängel kommt die SVP Biel zum Schluss, dass die AU sowohl wert- als auch nutzlos ist. Dies ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Fürsprecher Hubacher unter anderem als vormaliger Regierungsstatthalter von Bern doch profunde verwaltungsrechtliche Kenntnisse vorweisen müsste, so dass solche Mängel gar nicht erst entstehen.

  • War eine derart oberflächliche Abhandlung durch Fürsprecher Hubacher politisch gewollt und/oder bewusst angefordert worden?
  • Und generell: Wer schlug Fürsprecher Hubacher für die Betreuung der AU vor? Hat der Gemeinderat noch andere Personen hierfür in Betracht gezogen? Wen ja/nein: Warum (nicht)?

Die Rolle der Gemeinderäte

In der gesamten Causa steht zuerst die Tatsache im Zentrum, dass der Bieler Gemeinderat seit dem 1. Januar 2013 in einer neuen politischen Zusammensetzung agiert. Die linken Parteien konnten ihre Mehrheit in der Exekutive verteidigen, verloren jedoch die jahrelange Mehrheit im Parlament. Demgegenüber reüssierte die SVP überragend und gewann mit Beat Feurer auf Anhieb einen Gemeinderatssitz, der mit der Sozialdirektion gar ein „klassisch linkes“ Departement übernahm. Dadurch war für alle klar, dass es – schon nur aus politischer Sicht – zu Veränderungen kommen wird.

Die anonymen Vorwürfe an Sozialdirektor Feurer und an seinen Direktionssekretär hielt der städtische Personalverband in einem Brief fest. Am 30. April 2014 schrieb er an den Gemeinderat, dass „zwei dokumentierte Fälle den Vorstand bewogen haben, einen dringenden Appell an Sie zu richten.“ Der Zeitpunkt dieser Eingabe ist insofern speziell, da die Festanstellung des Direktionssekretärs (er befand sich noch in der Probezeit) unmittelbar bevorstand. Der Personalverband hatte gemäss eigenen Angaben aber keine Ahnung wann die Festanstellung erfolgen sollte. Der Gemeinderat unterliess es bis heute, den Eingang des Schreibens offiziell zu bestätigen. An der Gemeinderatssitzung vom 2. Juli 2014 gaben alle Gemeinderäte an, sie ahnten, dass eine der beiden „Fälle“ von der Abteilungsleiterin Soziales stammte.

Gleichwohl wurde Sozialdirektor Feurer nicht über die anonymen Anschuldigungen in Kenntnis gesetzt. Bei seiner Befragung durch Fürsprecher Hubacher vom 8. Oktober 2014 hielt Feurer fest, dass er den Inhalt der Anschuldigung noch immer nicht kenne. Der Bericht Hubacher war n den Sitzungen vom 22. und 24. Oktober 2014 Thema an der Gemeinderatssitzung, bei der Sozialdirektor Feurer die Überarbeitung des Berichts gemäss seiner umfassenden Stellungnahme forderte. Das Gutachten Schweizer hält folgenden Sachverhalt fest: „Für den Gemeinderat kam aber nicht in Frage, das der Bericht Hubacher mit Fragen oder mit der Aufforderung der Korrektur und zur Gehörsgewährung an den Auto zurückgegeben werden sollte.“ (Seite 25). Eine Überarbeitung hätte sich aber gemäss Schweizer einfach organisieren lassen.

Der Gemeinderat beschloss an seiner Sitzung Massnahmen:

Die Abteilungsleiterin und der Direktionssekretär werden entlassen. Im Gutachten Schweizer geht hevor, dass Stadtpräsident Erich Fehr namentlich das Direktionssekretariat neu besetzten lassen wollte. Feurer war dagegen.

  • Weshalb wollte man einem Ratskollegen vorschreiben, welchen Sekretär ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Seite steht?

Sozialdirektor Feurer wurde, entgegen seinem Protest, verboten, seine Stellungnahme zum Bericht Hubacher zu veröffentlichen noch auch nur Vermerke resp. Berichtigungen anzubringen oder eine Gegendarstellung beizufügen. Aber auch die Abteilungsleiterin und der Direktionssekretär hatten Einwände gegen den Bericht Hubacher. Das Verhalten des Gemeinderates hierzu fasst das Gutachten Schweizer so zusammen: „Dass der Gemeinderat, entgegen den Begehren von Beat Feurer und entgegen den Protesten der Abteilungsleiterin und des Direktionssekretär gegen den Bericht, keine Überarbeitung desselben, ja nicht einmal Vermerke der betroffenen Personen zum Bericht akzeptiert hat, bedeutet verfahrensrechtlich und grundrechtlich, dass sich der Gemeinderat sich Sachverhaltsfeststellungen und Urteil der Beauftragten zu seinen eigenen gemacht hat; damit ist ihm jedenfalls für die umstrittene Richtigkeit des Bericht eine Mitverantwortung zugewachsen.“ (Seite 29). Ebenso wurde mit der Übernahme des Berichts Hubacher Verletzungen des rechtlichen Gehörs und deren Persönlichkeitsschutz vom Gemeinderat hingenommen.

  • Weshalb wurde dem Sozialdirektor Feurer einen derartigen Maulkorb verpasst – trotz methodischer Mängel des Berichts Hubacher und der mehrseitigen Stellungnahme Feurers?
  • Warum wehrte sich der Gemeinderat dagegen, dass der Bericht überarbeitet wird?
  • Wieso nahm der Gemeinderat die Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Persönlichkeitsschutzes hin, wenn die AU doch gerade zum Schutz der Angestellten eingeleitet worden ist?

Weiter führt das Gutachten Schweizer aus, dass Stadtpräsident Fehr gegenüber dem Direktionssekretär und der Amtsleiterin sagte, dass sie bei Weigerung eines einvernehmlichen Ausscheidens mit der Veröffentlichung des Berichts Hubacher in extenso rechnen müssen. Diese Aussage ist für sich genommen bereits äussert grenzwertig, könnte sie doch als Drohung oder Nötigung aufgefasst werden. Gutachter Schweizer hält bezüglich der beiden Kündigungen fest: „Ein Problem war m. E., dass er mangelhafte Bericht Hubacher vor Gericht wohl kaum eine genügende Begründung für die Auflösung der beiden Dienstverhältnisse geboten hätte.“ (Seite 28).

  • Warum wurden die rechtlichen Aspekte für die Auflösung der beiden Dienstverhältnisse nicht (genauer) abgeklärt?
  • Hatte der Gemeinderat Rat bei der Stadtschreiberin als Rechtsberaterin eingeholt? Wenn ja, hat dieses Vorgehen vorgeschlagen resp. gutgeheissen? Wenn nein, warum hat man die Kenntnisse der Rechtsberaterin nicht genutzt?

Auch bei der Information nach aussen, agierte der Gemeinderat zweifelhaft. Auf Seite 30 dokumentiert das Gutachten, dass der Gemeinderat per Beschluss vom 24. Oktober 2014 die GPK über die aktuelle Lage informieren wolle. Wie diese Information erfolgte, ist Gutacher Schweizer unbekannt. Eine Woche später, am 31. Oktober 2014, präsentierte der Gemeinderat die AU an einer Medienkonferenz der Öffentlichkeit. Das Gutachten Schweizer hält fest: „Herr Gemeinderat B. Feurer war verpflichtet worden, an der Medienkonferenz alle Mehrheitsentscheide des Regierungskollegiums zur AU mitzutragen und persönliche Kritik am Bericht zur AU zu unterlassen“. Weiter: „Mme la Conseillère Steidle hat berichtet, dass der erzwungene Auftritt des Kollegen B. Feurer an der Pressekonferenz eine recht seltsamen Eindruck gemacht habe.“

  • Warum präsentierte der Gemeinderat einen Bericht, wenn dieser Mängel aufwies?
  • Musste der Gemeinderat aufgrund der Nichtberücksichtigung von Einwänden mehrerer Personen nicht davon ausgehen, dass er einen lückenhaften Bericht präsentierte?

Die Rolle der Stadtschreiberin

Fürsprecher Andreas Hubacher war Regierungsstatthalter von Bern. Die gleiche Funktion übte die heutige Stadtschreiberin Barbara Labbé im damaligen Amtsbezirk La Neuveville aus. Damit verfügen beide Personen vordergründig über ausgewiesene Rechtskenntnisse. Im Hinblick auf die gravierenden Mängel des Berichts Hubacher stellen sich für die SVP diverse Fragen über die ausstehende Intervention der Stadtschreiberin.

  • Weshalb fiel es der Stadtschreiberin und ehemaligen Regierungsstatthalterin nicht auf, dass der Bericht Hubacher methodische Mängel aufwies?
  • Der Gemeinderat hat nachweislich mehrfach rechtlich heikle Entscheide gefällt. Hat die Stadtschreiberin auf rechtliche Grauzonen aufmerksam gemacht? Wenn ja, welches waren ihre Empfehlungen? Wenn nicht, warum hat sie dies unterlassen?

In seinen Empfehlungen an den Gemeinderat hält das Gutachten Schweizer fest: „[…] empfehle ich, dass die Rechtsberatung des Gemeinderates gestärkt wird. Dazu sollte eine Rechtskonsulentin oder Rechtskonsulent eingesetzt werden, der für den Gemeinderat tätig ist […]. Die Rechtskonsulentin oder der Rechtskonsulent soll der Stadtkanzlei zugeordnet sein, in juristischen Fragen jedoch weisungsunabhängig arbeiten […].“

  • Ist die Empfehlung so zu verstehen, dass die Stadt Biel heute de facto über keine Rechtberatung verfügt?
  • Muss diese Empfehlung nicht so zu verstehen sein, als dass sie die Fähigkeit der Stadtschreiberin, die Stadt in juristischen Belangen zu beraten, in Abrede stellt?

Die Rolle des Chefs des Personalverbandes

Die anonymen Vorwürfe an die Adresse von Sozialdirektor Feurer und an den Direktionssekretär haben sich als haltlos erwiesen und wurden im Nachhinein entkräftet. Für die SVP stellt sich die Frage, welche Rolle der Personalverband eingenommen hat. Er hat mit seinem Brief an den Gemeinderat den „Stein ins Rollen“ gebracht. Die Partei kann nur mutmassen: Entweder waren der Personalverband und sein Präsident im Klaren darüber, dass die Vorwürfe haltlos waren, oder sie handelten aus lediglich aus Gutgläubigkeit und liessen sich für unlautere Zwecke einspannen. In beiden Fällen müssten sich die Angestellten der Stadt Biel fragen, ob ihre Interessen in einem solchen Personalverband noch ausreichend resp. richtig vertreten werden.

  • Wusste der Personalverband (resp. sein Präsident) beim Versand des Briefes am 30. April 2014, dass die darin beschriebenen Anschuldigungen haltlos waren?
  • Wenn nicht, liess sich der Personalverband von Dritten für haltlose Anschuldigungen oder ähnliche Zwecke einspannen und/oder missbrauchen?
  • Wie will der Personalverband solche „Fehler“ künftig vermeiden?
  • Wie geht der Gemeinderat mit der (einseitigen) Interessenwahrnehmung und den offensichtlich unwahren, rufschädigenden und vor allem nicht fundierten Aussagen des Personalverbandes resp. seines Präsidenten um?

Verhalten der politischen Meinungsträger und Parteien

Als die Vorwürfe an die Adresse des Sozialdirektor Feurer bekannt wurden, überboten sich die politischen Meinungsträger mit ihren Einschätzungen. Feurer wurden Führungsschwäche attestiert, bald darauf wurden Rücktrittsforderungen laut. Das Bieler Tagblatt berichtete am 1. November 2014, als Reaktion auf den Bericht Hubacher, über folgende Statements der Parteien:

  • Urs Scheuss, Grüne: „Die Haltung der Partei ist klar: Wir empfehlen Herrn Feurer den Rücktritt.“
  • Medienmitteilung der FDP/PRR: „In der Privatwirtschaft würde eine so offensichtliche Schwäche u einem Wechsel an der Spitze führen. Offensichtlich ist das nicht möglich.“
  • Leonhard Cadetg, FDP: „Ich fordere den Rücktritt von Beat Feurer.“
  • Salome Strobel, SP: „Die Partei Feurers steht jetzt in der Verantwortung.“

Die SVP hält fest, dass neben Feurers eigener Fraktion einzig die Grünliberalen nicht im Chor der Empörten mitmachten.

Nun stellt das Gutachten von Professor Schweizer die Sicht der Dinge gänzlich anders dar: Fehlerhaft war besonders der Bericht Hubacher, der markante Mängel aufwies. Die übrigen Gemeinderäte verhinderten, dass Sozialdirektor Feurer wie auch der Direktionssekretär und die Abteilungsleiterin ihre Einwände am Bericht anbringen konnten. Wie Gutachter Schweizer feststellte, waren es die übrigen Gemeinderatsmitglieder, die mit unüberlegten Massnahmen und (Personal-)Entscheide rechtswidrig gehandelt haben.

Aufgrund dieser Erkenntnisse müssten die politischen Meinungsträger ihre Einschätzungen revidieren. Die SVP Biel stellt den anderen Parteien folgende Fragen:

  • Werden alljene, welche aufgrund der mangelhaften Berichts Hubacher den Rücktritt von Beat Feurer gefordert haben, nun konsequent sein, und die übrigen Gemeinderäte aufgrund ihrer rechtlich heiklen Entscheide ebenso zum Rücktritt auffordern?
  • Werden sie sich bei Beat Feurer für ihre vorschnellen Rücktrittsforderungen entschuldigen?

>> Zusammenfassung der SVP Biel zum Gutachten Prof. Schweizer (PDF)

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