Verkehr(te) Welt

Das alte Sprichwort «Wer zahlt, befiehlt!» wird im Kanton Bern umgedeutet. Dort heisst es bald: «Wer zahlt, zahlt künftig noch mehr, hat aber dafür nichts zu sagen.» Nach dem Volks-Nein zum kantonalen Energiegesetz verlangen verschiedene Grossräte nun per Vorstoss eine «ökologische Revision» der Motorfahrzeugsteuer. Sprich: Die Steuern sollen steigen. In der Sommersession werde ich im Grossen Rat eine Motion einreichen, der in die andere Richtung geht. Personenwagen der besten Energieeffizienz-Kategorie sollen steuerlich stärker und zudem permanent vergünstigt werden. Heute ist die Vergünstigung zeitlich befristet und gilt nur ab der ersten Inverkehrsetzung. Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb sollen gänzlich von den Motorfahrzeugsteuern befreit werden. Wenn alle einen Beitrag zur Rettung für die Umwelt leisten sollen, dann am besten mit positiven Anreizen. Wenn sich die selbsternannten Klimaretter gegen Steuervorteile aussprechen, bin ich ja gespannt auf ihre Argumente, warum dann höhere Steuern ökologisch wirksamer sein sollen.

Geht es nach dem Willen der Städte Bern und Biel, währt die Freude an einem energieeffizienten Fahrzeug jedoch nicht allzu lange. In ihren mittel- bis langfristigen Verkehrsplanungen soll das Auto gänzlich verschwinden, so zumindest im Umkreis des Hauptbahnhofs. Als Bielerin höre ich den Wunsch nach einem autofreien Bahnhofplatz nicht zum ersten Mal. 2015 wollte der Gemeinderat den Platz umgestalten und das Auto verbannen. Das Projekt hätte die immer klamme Stadtkasse mit 18 Millionen Franken belastet und vor allem für gehbehinderte Menschen wäre der Zugang zum Bahnhof kaum mehr möglich gewesen. Die Vorlage floppte an der Urne denn auch haushoch. Da sich Fussgänger und die Fahrzeuge (neben Autos frequentieren fast alle Buslinien den Platz) an dieser Stelle kreuzen, ist klar, dass die Situation nicht befriedigend ist. Vor ein paar Jahren habe ich die Installation einer Ampelanlage gefordert, was die Sicherheit für alle spürbar erhöht und auch den Verkehrsfluss klar geregelt hätte. Diese relativ preiswerte Lösung wurde von Links bekämpft und verhindert. Was gut und günstig ist, kann wohl keinen Wert haben. Heute ist die Situation am Bahnhofplatz noch prekärer. Eine Kunstinstallation – bestehend aus Holzpalletten und Spanplatten – soll an den gebürtigen Bieler Schriftsteller Robert Walser erinnern. Das überdimensionierte Werk nimmt ein halbes Jahr lang den Grossteil des Platzes in Beschlag, besetzt die wenigen Parkplätze vor dem Bahnhof und verengt die Gehwege für die Pendler. War die Situation zuvor noch derart unzumutbar, dass die Autofahrer verschwinden sollten, so hat es für «Kunst» scheinbar noch zu genüge Platz.

Für Kunst hat es Platz, für Autofahrer nicht. Und auch Sehbehinderten wird das Leben unnötig schwerer gemacht. Fotos: Facebook/ZVG
Für Kunst hat es Platz, für Autofahrer nicht. Und auch Sehbehinderten wird das Leben unnötig schwerer gemacht. Fotos: Facebook/ZVG

Mit der Mobilitätsstrategie will die Stadt Biel das Umwege fahren zum Normalfall machen. Wer innerhalb der Stadt vom Punkt A zum Punkt B gelangen will, soll künftig die östliche Autobahnumfahrung nutzen. Prinzipiell ist diese Überlegung nicht falsch. Doch schon heute nutzen Autofahrer jeweils die Strecken, mit der sie am schnellsten ans Ziel gelangen. Das gilt sowohl für Stadtbewohner als auch – und das vor allem – für Transitfahrer, die von Moutier und Grenchen aus Richtung Bern wollen oder umgekehrt. Die innerstädtischen Verkehrsachsen müssen jedoch auch künftig offen bleiben. Die A5-Ostumfahrung besteht weitgehend aus Tunneln. Sanierungsarbeiten, aber auch Unfälle, führen dazu, dass der Verkehr zeitweise nicht mehr durch diese Schlagader fliessen kann. Sind die heutigen Hauptstrassen durch die Stadt künftig nicht mehr befahrbar, ist ein Infarkt absehbar. Hinzu kommt aber auch: Für Handwerker, Gewerbebetriebe, Taxifahrer, oder auch Polizei- und Ambulanzwagen machen diese Umwege nicht Sinn. Ihre Fahrtstrecken werden länger und dieser Mehrverkehr führt wiederum zu mehr Benzinverbrauch, Abgasen etc. Auch aus umweltpolitischer Sicht ein Widerspruch.

Mehrverkehr vorprogrammiert: Zumindest auf dem Papier ist die A5-Westumfahrung entlang des Bielersees schon Realität. Grafik: Stadt Biel

Nicht zuletzt fehlt bis heute ein wichtiges Element für die Durchsetzung einer solchen Massnahme: Der Autobahn-Westast. Die Kantonsregierung hat sich dem lautstarken Protest gegen das offizielle Ausführungsprojekt gebeugt und dieses nun sistiert. Ein Runder Tisch, an dem auch der ACS teilnimmt, soll zwischen Befürwortern und Gegnern zu einem Kompromiss führen. Ob dies gelingt, wird sich noch zeigen. Zumindest bei den Mobilitätsstrategen ist die Westumfahrung schon Realität.

Sandra Schneider,  Grossrätin und Stadträtin, 2502 Biel/Bienne

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