Es geht um die Extrawurst

Stadtfinanzen: Die Bieler Gemeinderäte sollen weniger Geld für ihre Arbeit erhalten. Die Exekutive ist bereit für gewisse Abstriche – möchte aber das Doppelmandatsverbot aufweichen.

Biel muss Millionen sparen. Federn lassen muss auch die Politik. Beim Stadtrat sollen jährlich 20 000 Franken gespart werden, was auf einen Vorstoss Ruth Tennenbaums (Passerelle) zurückgeht. Auf das Zehnfache soll zudem der Gemeinderat verzichten. Dies angestossen hat die SVP mit Jung-Stadträtin Sandra Schneider, zum einen mit einem Vorstoss, zum anderen mit einer Volksinitiative (das BT berichtete).

Der Stadtpräsident von Biel gehört zu den bestbezahlten der Schweiz (siehe Infobox). Die Grundidee der SVP ist, den Lohn des Stadtpräsidenten auf 220 000 Franken und den der vier weiteren Exekutivmitglieder auf 200 000 Franken zu plafonieren. Damit würde der Lohn des Stadtpräsidenten um 3500 Franken monatlich gekürzt, derjenige der restlichen Gemeinderäte um 3200 Franken pro Monat. Die Exekutive sagt im Zusammenhang mit dem Sparpaket 2016+ nun klar, sie betrachte es als angebracht, dass «auch der Stadt- und der Gemeinderat Verzicht üben». Der genaue Betrag ist aber noch offen.

Um wie viel die Löhne gekürzt werden sollen, berechnet eine Spezialkommission, die die Revision des Personalreglements erarbeitet und bis im Sommer auch das Lohnsystem überprüft. Findet die Kommission einen im Parlament mehrheitsfähigen Kompromiss, ist es möglich, dass die Bieler gar nie über die SVP-Volksinitiative abstimmen müssen. Sandra Schneider sagte letztes Jahr: Wenn die Kommission «gut arbeite», werde die Initiative vielleicht unnötig.

Der Druck nimmt zu

Weit ist man in Sachen Gemeinderatslöhne allerdings noch nicht. Die Kommission hat das Thema Lohnsystem gemäss Vizepräsidentin Samantha Dunning (SP) erst für Juni traktandiert. Auch wenn der Gemeinderat sich selbstlos gibt, ist klar, dass der Druck stark zunimmt. Die SVP hat mit der LohndachInitiative in anderen Städten bereits reüssiert. Beispiel Luzern: 62,5 Prozent der Stimmenden haben im März der Initiative «200 000 Franken sind genug» zugestimmt, womit die Exekutivlöhne nun um jeweils 40 000 Franken gekürzt werden. Der Gegenvorschlag, der nur eine etwa halb so starke Kürzung vorsah, scheiterte. Der Bieler Gemeinderat dürfte hoffen, dass ihm dasselbe Malheur nicht passiert, sondern dass ein Kompromiss gefunden wird. Immerhin: Im Stadtrat fand die SVP-Idee mit einer fixen Plafonierung nicht viele Anhänger, weil sie zu willkürlich erschien.

Ein Streitpunkt ist das Verhältnis der Politikerlöhne zu jenen der Chefbeamten in der Verwaltung. 1988 entschied der Stadtrat, dass der Lohn eines Gemeinderats rund 14 Prozent über dem des bestbezahlten Verwaltungsangestellten liegen soll. Derjenige des Stadtpräsidenten nochmals 10 Prozent darüber. Mit einer zu starken Kürzung der Gemeinderatslöhne könnte es passieren, dass Chefbeamte auf einmal gleich viel oder mehr als ihre politischen Vorgesetzten verdienen. Allerdings: Diese Kritik brachten die Gegner der SVP-Initiative auch in Luzern an.

Gemeinderat will Verbot kippen

Weil die Bieler Gemeinderäte schweizweit zu den besserverdienenden gehören, wird oft angefügt, dass sie kein Nebenamt ausüben dürfen. Heisst: Wer Gemeinderat ist, darf weder im Grossen Rat noch im Nationalrat sitzen. Das Verbot erwirkte die Bürgerbewegung Passerelle vor fünf Jahren mit einer Initiative, die mit knapp 65 Prozent angenommen wurde. Zwei Jahre später sollte es mit der Revision der Gemeindeordnung bereits wieder über Bord geworfen werden, doch die Passerelle wehrte sich erfolgreich dagegen.

Nach wie vor ist es das Ziel der Bieler Exekutive, das Verbot aufzuweichen, damit Gemeinderäte – allen voran der Stadtpräsident – wenigstens Einsitz im Grossen Rat nehmen könnten. Handlungsbedarf sieht der Gemeinderat vor allem bei der Netzwerkarbeit auf übergeordneter Ebene, die durch das Verbot massiv erschwert sei. Die informelle Netzwerkarbeit könne nie die formelle Einsitznahme in entscheidkompetenten Gremien ersetzen, schreibt der Gemeinderat aktuell in der Antwort auf einen Vorstoss zum Thema Zentrumslasten: «Im Interesse der Stadt Biel sollte die Regelung überdacht werden.»

Städte wie Bern, Solothurn oder Luzern haben kein Doppelmandatsverbot. Das macht den Beruf für Politiker interessanter. Auch monetär: Ein bernischer Grossrat erhält rund 23 000 Franken pro Jahr, wovon Gemeinderäte knapp zwei Drittel an die Stadtkasse abliefern müssten – so auch in Biel.

Revision in den nächsten Jahren

Wird der Lohn der Exekutive gekürzt, könnten die Gemeinderäte mit dem Kippen des Verbots den Verlust zumindest teilweise kompensieren. Die Aufhebung oder Aufweichung des Doppelmandatsverbots könnte im Zusammenhang mit der Totalrevision der Stadtordnung angepackt werden, sagt VizeStadtschreiber Julien Steiner. Die Arbeiten sollen 2016 beginnen. Die Totalrevision geht auf einen älteren Vorstoss von Peter Bohnenblust (FDP) zurück.

Gewehr bei Fuss steht die Passerelle. Stadträtin Ruth Tennenbaum sagt: «Unser Standpunkt ist unverändert. Ein Gemeinderat soll sich zu 100 Prozent für die Interessen der Stadt einsetzen. Wir haben andere Leute im Grossen Rat oder auch im Ständerat, die Biels Interessen verteidigen können.» Dass es der Stadt viel bringe, wenn etwa der Stadtpräsident noch Grossrat ist, bezweifelt sie. Auch das Geld sei nicht ausschlaggebend. Letztlich, so Tennenbaum, gehe es um die politische Laufbahnplanung. Schon 2012 sagte sie: «Ich habe das Gefühl, dass Stadtpräsident Erich Fehr in den Grossen Rat gewählt werden möchte, um seine politische Karriere zu fördern.»

Das Lohnsystem soll bis spätestens im Herbst überarbeitet sein. Über die SVPInitiative «200 000 Franken sind genug» würde dann frühestens in einem Jahr abgestimmt. Die Totalrevision der Stadtordnung würde nochmals mindestens ein Jahr länger dauern.

So viel verdienen die Stadtpräsidenten

  • Basel-Stadt Fr. 310 212
  • St. Gallen* Fr. 270 000
  • Baden Fr. 270 000
  • Biel* Fr. 262 158
  • Zürich Fr. 244 759
  • Luzern Fr. 243 834
  • Solothurn Fr. 242 023
  • Aarau* Fr. 227 256
  • Bern Fr. 224 594
  • Zug  Fr. 183 036
    Bruttolohn, teilweise mit Zulagen. Quelle: Städte. In Städten mit dem Zeichen (*) sind Doppelmandate verboten oder eingeschränkt.

Quelle: Patrick Furrer, Bieler Tagblatt

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